Loben & Kritik – wie geht es richtig?
Hier schreiben Eltern, die viel ausprobiert haben. Manches gelang gut, manches nicht. Der folgende Leitfaden soll im Alltag helfen: nah, konkret und ohne Fachjargon-Feuerwerk.
Warum Rückmeldungen so viel bewirken
Aus unseren Reaktionen entsteht das Selbstbild eines Kindes. Pauschales Lob kann abhängig machen. Harte Kritik kann klein machen. Gute Rückmeldungen stärken Selbstwirksamkeit und Beziehungssicherheit: „Ich kann etwas bewirken, und ich werde geliebt – auch bei Fehlern.“
Die wichtigsten pädagogischen Konzepte – kurz erklärt
- Wachstumsdenken (Growth Mindset): Nicht „Du bist begabt“, sondern „Dein Plan und dein Dranbleiben haben funktioniert“. Der Fokus liegt auf Prozess, Strategie und Anstrengung.
- Selbstbestimmung: Kinder brauchen Autonomie, Kompetenz und Zugehörigkeit. Rückmeldungen sollten diese drei „Nährstoffe“ füttern.
- Gewaltfreie Kommunikation (GFK): Beobachtung → Gefühl → Bedürfnis → Bitte. Es wird beschrieben statt bewertet.
- Emotion Coaching: Gefühle werden benannt, akzeptiert und geführt. Erst verbinden, dann begrenzen.
- Autoritativer Stil: Warmherzig und klar. Nicht autoritär (kalt, hart) und nicht laissez-faire (gleichgültig).

Banoo-Tipp
Erst Verbindung, dann Grenze. Ein kurzer Satz reicht: „Du bist wütend. Ich bin da. Die Tür bleibt heil.“ Danach wird gelöst, nicht belehrt.
Loben, aber wirksam
So klingt gutes Lob
- Konkret: „Du hast die schweren Bücher nach hinten gepackt. So kippt der Ranzen nicht.“
- Prozessbezogen: „Du hast drei Anläufe gemacht und die Buchstaben wurden jedes Mal runder.“
- Echt & sparsam: Qualität vor Quantität. Kein Dauer-„Super!“
- Autonomie-stärkend: „Wie zufrieden bist du selbst? Was davon willst du wiederholen?“
- Wertebezogen: „Als du deiner Schwester geholfen hast, warst du aufmerksam. Das zählt bei uns.“
Typische Fehler beim Loben
- Etiketten: „Genie“, „Sportskanone“. Klingt nett, erzeugt aber Druck.
- Vergleiche: „Besser als die anderen“ verengt den Blick.
- Inflation: Zu viel Lob stumpft ab.
- Bestechung als Standard: Ständiger Tauschhandel schwächt die innere Motivation.
Drei Formulierungen für den Alltag
- „Dein Post-it-Plan hat dir Übersicht gegeben.“
- „Du warst frustriert und hast trotzdem weiterprobiert. Respekt.“
- „Du hast die Aufgabe lautiert und dir Zeit genommen – so klappte ‚Elefant‘.“

Banoo-Tipp
Lob-Formel: Beobachtung + Strategie/Anstrengung + Wirkung. Kurz halten, dann Kind erzählen lassen.
Kritisieren, ohne zu verletzen
Gute Kritik bezieht sich auf Verhalten, nicht auf die Person. Es wird respektvoll, klar und kurz gesprochen.
Vier Schritte
- Beobachtung: „Auf dem Tisch stehen noch Teller.“
- Wirkung: „So können wir mit den Hausaufgaben nicht starten.“
- Bitte: „Räumst du das bis 17:30 Uhr ab?“
- Einbindung: „Was brauchst du, damit es klappt?“
No-Gos
- Beschämung, Spott, Sarkasmus.
- Drohungen und Strafen als Standardmittel.
- Vergleiche mit Geschwistern oder Klasse.
- Personen-Urteile („Du bist faul“).
- Öffentliches Bloßstellen.
Kritik-Sätze, die tragen
- „Ich sehe Ärger. Gleichzeitig muss die Tür heil bleiben. Wir meckern ohne Schlagen.“
- „Mir ist Respekt wichtig. Die laute Stimme verletzt. Nächster Versuch: normale Stimme.“
- „Das hat heute nicht funktioniert. Was probieren wir morgen anders?“

Banoo-Tipp
Kritik-Formel (GFK light): Beobachtung + Wirkung/Gefühl + Wert/Bedürfnis + Bitte. Ein Satz, dann Pause.
Best Practices für den Alltag
- 3:1-Regel: Über den Tag verteilt drei echte, konkrete Positive pro Korrektur.
- Kurze Schleifen: Lieber drei mal 30 Sekunden als eine 10-Minuten-Predigt.
- Natürliche & logische Folgen: Keine Strafe, sondern passende Konsequenz (verschüttet = gemeinsam wischen).
- Rituale: „Stopp & Reset“: alle atmen, neuer Versuch.
- Selbst-Einschätzung fördern: „Woran merkst du, dass es gelungen ist?“
- Reparatur suchen: Nach dem Konflikt wird wieder gut gemacht.
- Konsequent, nicht starr: Klar in der Linie, flexibel im Weg.
Notfall-Rezept bei Eskalation (PAUSE-Plan)
- P – Pause: Mund zu, Schultern runter, dreimal atmen. Bei Bedarf kurz den Raum verlassen und Ankündigung geben.
- A – Ankern: Stimme tief und langsam. „Stopp. Sicherheit zuerst.“
- U – Ursache benennen: Gefühl spiegeln, nicht bewerten. „Du bist sehr wütend. Es sollte anders laufen.“
- S – Sicherheit & Struktur: Gefährliches weg, klare Grenze. „Wir schreien nicht nebeneinander.“
- E – Erst verbinden, dann entscheiden: Wasser, frische Luft, kurze Pause. Nach 20–40 Minuten ruhig besprechen und eine kleine Reparaturhandlung vereinbaren.
Merksatz: Erst Nervensystem, dann Erziehung. Ohne Regulation hört niemand zu.

Banoo-Tipp
Ein Codewort für die Familie hilft (z. B. „Reset“). Nach dem Codewort wird nicht diskutiert, sondern reguliert.
Altersfeinheiten
- Vorschule/Grundschule: Kurze Sätze, viel Spiel, Kritik als Trainingsauftrag („Nächste Runde probieren wir…“).
- Ab 9/10 Jahren: Mehr Mitentscheidung, klare Regeln mit gemeinsamem Konsequenz-Plan.
- Pubertät: Beziehungsschutz zuerst. Wenige Worte, klare Grenzen, Humor, Absprachen auf Augenhöhe.
Quick-Check für den Kühlschrank
- Wurde konkret gelobt oder kritisiert?
- Wurde respektvoll und kurz gesprochen?
- Wurde Prozess/Wert statt Etikett benannt?
- Gab es heute mehr Verbindung als Korrektur?
- Wurde nach einem Konflikt repariert?

Banoo-Tipp
Eine kleine Karte mit zwei Lieblingssätzen (Lob & Kritik) an den Kühlschrank hängen. Tägliche Mini-Erinnerung wirkt Wunder.
