Mein Kind ist krank – wann zum Arzt, wann den Notruf?

Mein Kind ist krank – wann zum Arzt, wann den Notruf?

Wenn dein Kind plötzlich fiebert, hustet oder einfach „anders“ wirkt, dreht sich im Kopf sofort das Gedankenkarussell: Ist das noch normal? Reicht es, Tee zu kochen und abzuwarten – oder muss ich jetzt los zum Kinderarzt? Und ab wann ist es wirklich ein Notfall, bei dem du ohne zu zögern den Notruf 112 wählen solltest? Diese Unsicherheit kennen fast alle Eltern, und sie macht etwas mit uns: Man schläft schlechter, schaut ständig aufs Thermometer und fragt sich, ob man gerade zu gelassen oder zu panisch ist.

Wichtig ist: Du musst diese Entscheidungen nicht perfekt treffen, um eine gute Mutter oder ein guter Vater zu sein. Und du bist damit nicht allein. In diesem Artikel schauen wir gemeinsam darauf, welche Signale du zu Hause beobachten kannst, wann ein Arztbesuch sinnvoll ist und in welchen Situationen du wirklich sofort den Notruf wählen solltest. Und ganz ehrlich: Am Ende spielt auch dein Bauchgefühl eine große Rolle – und das ist nichts Esoterisches, sondern oft ziemlich verlässliche Eltern-Erfahrung.

Warum die Frage „Muss ich zum Arzt?“ so schwer ist

Mit Kindern sieht Krankheit oft dramatischer aus, als sie ist. Ein kleiner Infekt kann dein sonst fröhliches Kind komplett aus der Bahn werfen: glasige Augen, rote Bäckchen, es hängt nur noch auf deinem Schoß. Gleichzeitig liest man überall von schweren Krankheitsverläufen, und schon entstehen im Kopf Worst-Case-Szenarien. Dazu kommt: Kinder können ihre Beschwerden noch nicht so gut beschreiben wie Erwachsene. „Mein Bauch tut weh“ kann von „Ich habe Hunger“ bis „Ich habe eine Blinddarmentzündung“ alles bedeuten.

Viele Fachleute empfehlen deshalb, nicht nur auf einzelne Symptome zu schauen (zum Beispiel die exakte Temperatur), sondern auf den Allgemeinzustand deines Kindes: Wirkt es ansprechbar? Reagiert es auf dich? Trinkt es noch? Kann es zwischenzeitlich auch mal spielen oder lachen – oder liegt es nur apathisch da? Gerade bei Fieber ist das ein wichtiger Anker: Ein Kind mit 39,5 °C, das noch schimpft, weil es kein zweites Eis bekommt, ist meist weniger bedrohlich krank als ein Kind mit 38,3 °C, das nur noch teilnahmslos liegt.

Was du zu Hause gut beobachten kannst

Im Alltag helfen dir ein paar einfache Fragen, um die Situation besser einzuschätzen. Die ersetzen keinen Arzt, aber sie geben dir Orientierung.

Frage dich zum Beispiel:

  • Seit wann ist dein Kind krank, und werden die Symptome besser oder schlechter?
  • Wie ist das Fieber? Kinder unter sechs Monaten mit Fieber gehören immer zum Arzt – egal, wie „fit“ sie wirken. Bei älteren Kindern ist der Verlauf wichtiger als eine einzelne Temperaturmessung.
  • Trinkt und isst dein Kind noch ausreichend? Trockene Lippen, kaum Urin, eingefallene Augen oder eine ungewohnte Schläfrigkeit können Hinweise auf Flüssigkeitsmangel sein.
  • Wie atmet dein Kind? Atmet es ruhig oder wirkt es gehetzt und angestrengt? Zieht sich der Brustkorb beim Atmen stark ein, oder verfärben sich die Lippen bläulich – dann ist das immer ein Warnsignal.
  • Wie stark sind die Schmerzen? Ein Kind, das trotz Schmerzen noch abgelenkt werden kann, ist oft weniger kritisch als ein Kind, das vor Schmerzen ständig schreit, sich krümmt oder gar nicht mehr richtig ansprechbar ist.

Diese Beobachtungen sind nicht dazu da, dich zu verunsichern, sondern um dir Handlungsoptionen zu geben: Reicht ein Anruf in der Kinderarztpraxis? Braucht ihr heute noch einen Termin? Oder sind es Zeichen, bei denen du wirklich nicht zögern solltest?

Banoo Tipp

Beobachten statt dauernd googeln

Wenn du unsicher bist, schreib dir auf, was dir auffällt: Temperatur, Trinkmenge, Stimmung, Atmung, seit wann die Beschwerden bestehen. Notiere Uhrzeiten. Das hilft dir, einen klareren Blick zu behalten – und später der Kinderärztin, wenn du alles in Ruhe schildern kannst.

Wann du mit deinem Kind zum Kinderarzt solltest

Viele Infekte kannst du ein, zwei Tage zu Hause begleiten: Ruhe, Flüssigkeit, kuscheln, vielleicht etwas fiebersenkende Medizin nach Rücksprache mit der Kinderärztin. Es gibt aber Situationen, in denen ein Arztbesuch sinnvoll oder notwendig ist – auch wenn es noch kein Notfall ist.

Typische Beispiele, bei denen du deinen Kinderarzt kontaktieren (oder einen Termin vereinbaren) solltest, sind zum Beispiel:

  • Fieber bei Babys unter sechs Monaten – hier immer ärztlich abklären lassen.
  • Fieber über mehrere Tage, das nicht wirklich besser wird oder immer wiederkommt.
  • Deutlich schlechter Allgemeinzustand: dein Kind ist ungewöhnlich still, apathisch oder lässt sich kaum beruhigen.
  • Starke oder neu aufgetretene Schmerzen (z. B. Ohren, Bauch, Kopf), die nicht nachlassen.
  • Wiederholtes Erbrechen oder Durchfall, vor allem wenn dein Kind kaum trinkt oder seit vielen Stunden keinen Urin mehr hatte.
  • Auffällige Hautausschläge, besonders wenn sie plötzlich auftreten oder mit Fieber kombiniert sind.
  • Husten, der länger anhält, mit Fieber und deutlich beeinträchtigter Atmung.

Du musst dafür nicht immer direkt in die Praxis fahren. Oft reicht zunächst ein Anruf: Beschreibe die Symptome so konkret wie möglich, dann kann das Praxisteam einschätzen, wie dringend ein Termin ist oder ob ihr vielleicht in eine Kinderklinik fahren solltet.

Banoo Tipp

Notfall-Nummern griffbereit

Schreib dir die Nummer eurer Kinderarztpraxis, den kinderärztlichen Bereitschaftsdienst 116117 und den Notruf 112 auf einen Zettel an den Kühlschrank und speichere sie im Handy. Im Stress suchst du nicht erst lange, sondern kannst direkt handeln.

116117 oder 112 – wohin rufe ich wann an?

In Deutschland gibt es zwei wichtige Nummern, die oft durcheinandergeraten: Die 116 117 ist der ärztliche Bereitschaftsdienst, die 112 ist der Notruf mit Rettungsdienst und ggf. Notarzt.

Die 116 117 ist richtig, wenn:

  • dein Kind krank ist und schnell ärztlich gesehen werden sollte,
  • die Kinderarztpraxis geschlossen ist (abends, nachts, Wochenende, Feiertage),
  • es zwar dringend, aber nicht lebensbedrohlich wirkt – du also Zeit hast, zu telefonieren und ggf. in eine Bereitschaftspraxis zu fahren.

Die 112 wählst du, wenn du das Gefühl hast: „Hier zählt jetzt jede Minute“ und ein lebensbedrohlicher Notfall vorliegen könnte.

Warnzeichen: Wann du sofort den Notruf 112 wählen solltest

Es gibt Situationen, in denen du nicht zögern solltest. Du musst dabei nicht erst lange abwägen – die Leitstelle am Telefon hilft dir, die Lage einzuschätzen, stellt Fragen und sagt dir, was du tun kannst, bis der Rettungsdienst eintrifft.

Rufe den Notruf 112, wenn du eines (oder mehrere) der folgenden Zeichen bemerkst:

  • Schwere Atemnot: dein Kind ringt nach Luft, atmet sehr schnell oder nur noch flach, die Haut oder Lippen werden bläulich, es kann kaum sprechen oder weinen.
  • Bewusstlosigkeit oder kaum ansprechbar: dein Kind reagiert nicht mehr oder nur noch minimal auf Ansprache oder Berührung.
  • Krampfanfall, vor allem der erste im Leben des Kindes, ein sehr langer oder wiederholter Anfall.
  • Schwere Verletzungen nach einem Unfall, Sturz aus großer Höhe, Verkehrsunfall, Kopfverletzung mit Bewusstlosigkeit oder anhaltender Benommenheit.
  • Starke Blutungen, die du nicht stoppen kannst.
  • Verdacht auf Vergiftung mit Atemnot, Bewusstseinsstörungen oder Krämpfen.
  • Schwere allergische Reaktion (anaphylaktischer Schock): plötzliche Atemnot, Schwellungen im Gesicht/Hals, Ausschlag und Kreislaufprobleme nach Insektenstich, Medikament oder Lebensmittel.
  • Großflächige Verbrennungen oder Verbrühungen, insbesondere bei kleinen Kindern.

Im Alltag bedeutet das: Wenn du den Eindruck hast, dass dein Kind gerade ernsthaft in Lebensgefahr sein könnte – dann wählst du 112. Lieber einmal „zu früh“ angerufen als einmal zu spät. Das sagen auch Notfallmediziner immer wieder.

Banoo Tipp

Erste-Hilfe-Kurs für Eltern

Gönn dir einen Erste-Hilfe-am-Kind-Kurs. Viele Eltern berichten, dass sie sich danach viel sicherer fühlen. Du lernst dort, wie du bei Atemnot, Verschlucken, Stürzen oder Verbrennungen richtig reagierst – und hast im Ernstfall weniger Angst, „etwas falsch zu machen“.

Alltagsszenen, die fast jede Familie kennt

Um das Ganze greifbarer zu machen, hier ein paar Situationen, wie sie im Familienalltag wirklich vorkommen – vielleicht erkennst du euch wieder.

Stell dir vor, es ist Sonntagabend, morgen ist Schule, und dein Kind kommt ganz blass ins Wohnzimmer: „Mir ist kalt.“ Du fühlst die Stirn, sie ist heiß. Das Thermometer zeigt 39,1 °C. Dein Kind hustet ein bisschen, trinkt aber noch, kuschelt sich an dich und mault, dass es die Lieblingsserie verpasst. In so einer Situation reicht es in der Regel, das Fieber zu beobachten, viel trinken zu lassen, eventuell nach Rücksprache mit der Kinderärztin ein fiebersenkendes Mittel zu geben – und am nächsten Tag beim Kinderarzt anzurufen, wenn es nicht besser wird.

Ganz anders fühlt es sich an, wenn dein Kleinkind nachts um zwei plötzlich aufschreit, nach Luft schnappt, vielleicht ein bellender Husten dazu kommt, und es wirkt panisch, weil es nicht richtig Luft bekommt. Hier geht der Puls der Eltern sofort nach oben – völlig zurecht. Bei plötzlicher, schwerer Atemnot solltest du immer sehr ernsthaft an den Notruf 112 denken, vor allem wenn dein Kind blass oder bläulich wird oder nur noch mit Mühe atmet.

Oder die klassische Szene auf dem Spielplatz: Dein Kind fällt vom Klettergerüst, weint laut, du nimmst es in den Arm. Es lässt sich beruhigen, erzählt dir später noch recht detailliert, was passiert ist, kann Arme und Beine bewegen und läuft sogar wieder zum Sandkasten. Das ist natürlich trotzdem ein Schreck, aber meist kein Notruf-112-Fall. Beobachten, kühlen, und bei Auffälligkeiten (starke Schmerzen, Erbrechen, Benommenheit) den Kinderarzt kontaktieren. Anders sieht es aus, wenn dein Kind nach einem Sturz bewusstlos war, verwirrt wirkt, sich übergibt oder starke Schmerzen angibt – dann lieber direkt ärztliche Hilfe oder sogar 112.

Dein Bauchgefühl ist wichtig – und darf laut sein

Bei all den Listen und Warnzeichen bleibt etwas ganz Wichtiges: dein Gefühl. Du kennst dein Kind am besten. Wenn dir etwas „nicht geheuer“ ist, wenn du das Gefühl hast, „irgendwas stimmt hier gar nicht“, dann darfst du dem nachgehen. Ruf in der Praxis an, nutze die 116 117 oder, bei eindeutigen Notfallsymptomen, die 112. Du musst dich vor niemandem rechtfertigen, warum du „lieber einmal zu viel gefragt“ hast.

Gleichzeitig ist es auch völlig in Ordnung, wenn dich diese Verantwortung manchmal überfordert. Wir sind keine Kinderärztinnen, sondern Eltern, die ihr Bestes geben. Manchmal trifft man Entscheidungen, bei denen man im Nachhinein denkt: „Hätten wir gestern vielleicht schon gehen sollen?“ – und manchmal stellt sich heraus, dass man völlig zurecht entspannt geblieben ist. Beides gehört zum Elternsein dazu.

Kleine Checkliste für den Notfall – ohne Panik, aber gut vorbereitet

Du kannst dir das Leben ein bisschen leichter machen, indem du ein paar Dinge vorbereitest – einfach, damit du im Ernstfall nicht bei Null anfangen musst:

  • Wichtige Nummern gespeichert und sichtbar: Kinderarztpraxis, 116 117, 112.
  • Krankenversicherungskarte, Impfpass und eine Liste mit Medikamenten (Allergien, Dauermedikamente) an einem festen Platz.
  • Fieberthermometer und kindgerechte Schmerz- und Fiebermedikamente nach Absprache mit der Kinderärztin im Haus.
  • Eventuell eine kleine Notiz mit den typischen Warnzeichen, die du immer wieder mal quer liest, damit sie im Kopf bleiben.

Und noch ein letzter, wichtiger Satz: Dieser Artikel kann dir Orientierung geben, aber er ersetzt niemals eine ärztliche Beratung oder Untersuchung. Wenn du unsicher bist, wenn dein Kind „anders“ wirkt als sonst oder du einfach eine innere Alarmglocke hörst – hol dir Hilfe. Du musst da nicht alleine durch. Und genau das ist vielleicht die tröstlichste Nachricht: Du darfst jederzeit Unterstützung holen, wenn du sie brauchst.