
Stress & Überforderung – Zu viele Termine? So erkennst du, dass es deinem Kind zu viel wird
Manchmal schauen wir auf den Familienkalender und fragen uns, wie das eigentlich passieren konnte. Montag Fußball, Dienstag Musikschule, Mittwoch Nachhilfe, Donnerstag Kindergeburtstag, Freitag Training, am Wochenende noch Oma besuchen und irgendwo dazwischen soll bitte noch „Quality Time“ stattfinden. Wir wollen unseren Kindern doch nur das Beste: Chancen, Förderung, schöne Erlebnisse. Und plötzlich sitzen wir abends mit einem völlig überdrehten oder in sich zurückgezogenen Kind auf dem Sofa und merken: Irgendwas ist hier zu viel geworden.
Vielleicht kennst du diese Abende, an denen dein Kind wegen einer scheinbaren Kleinigkeit explodiert. Die Müsli-Schüssel ist falsch, die Socken kratzen, der Stift malt nicht „richtig“. Und du spürst: Das geht nicht nur um die Schüssel oder den Stift. Das ist der ganze Tag, die ganze Woche, die ganze Last, die sich entlädt. Wir sind oft so damit beschäftigt, alles zu organisieren, dass wir erst sehr spät merken, wann unser Kind an seine Grenze kommt – und manchmal sind wir selbst längst über diese Grenze drüber.
Wenn der Familienkalender explodiert
Im Alltag schleicht sich Überforderung leise ein. Erst wirkt alles machbar: Ein Hobby mehr, ein zusätzlicher Termin, „nur noch dieses eine“ wöchentliche Training. Doch jedes „nur noch dieses eine“ kostet Energie – für dein Kind und für dich. Kinder haben keinen eingebauten Kalender im Kopf, der meldet: „Stopp, diese Woche ist voll!“ Sie merken nur: Ich bin müde, ich bin gereizt, ich will eigentlich einfach nur meine Ruhe.
Viele Kinder funktionieren erstaunlich lange. Sie gehen zu ihren Terminen, geben sich Mühe, wollen niemanden enttäuschen – weder uns Eltern noch Trainerinnen, Lehrer oder Freundinnen. Aber „funktionieren“ ist nicht das gleiche wie „es geht ihnen gut“. Genau hier wird es spannend: zu unterscheiden, ob dein Kind wirklich Freude an seinen Aktivitäten hat oder ob es sich nur noch durch den Tag schleppt.
Vielleicht erlebst du Zuhause dann das klassische Bild: In der Schule und bei Terminen ist alles „unauffällig“, aber sobald dein Kind durch die Haustür kommt, bricht alles raus. Tränen, Wut, Rückzug, kleine und große Dramen am Abendbrottisch. Das fühlt sich für uns Eltern oft ungerecht an, weil wir ja die sind, die auffangen. Aber genau dieses „Auffangen“ zeigt, dass dein Kind sich bei dir sicher genug fühlt, um den inneren Druck loszulassen.

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Typische Signale, dass es deinem Kind zu viel wird
Überforderung zeigt sich bei jedem Kind anders. Manche werden laut und explosiv, andere leise und in sich gekehrt. Trotzdem gibt es ein paar Signale, die immer wieder auftauchen und bei denen es sich lohnt hinzuschauen.
- Dein Kind ist deutlich gereizter als sonst, kleine Dinge führen zu großen Wutausbrüchen.
- Es klagt häufig über Bauchweh, Kopfweh oder Übelkeit – besonders vor bestimmten Terminen.
- Es schläft schlechter ein, wacht nachts häufiger auf oder wirkt morgens wie „aus dem Bett gefallen“.
- Es verliert die Freude an Dingen, die ihm früher Spaß gemacht haben.
- Es hängt nur noch lustlos „rum“, will nichts entscheiden und sagt oft „mir egal“.
- Hausaufgaben werden zum täglichen Kampf, die Konzentration ist im Keller.
Wichtig ist: Solche Signale können viele Ursachen haben – von einem anstrengenden Schultag bis hin zu Sorgen, über die dein Kind noch nicht sprechen kann. Aber wenn du merkst, dass mehrere dieser Punkte immer wieder auftreten und euer Kalender gleichzeitig rappelvoll ist, lohnt sich der Blick auf eure Terminwelt ganz besonders.
Unser Familienalltag funktioniert oft wie ein Zugfahrplan: Alles ist knapp getaktet, überall pünktlich sein, ständig umsteigen. Für uns Erwachsene ist das schon anstrengend, für Kinder noch viel mehr. Sie brauchen zwischen zwei „Bahnhöfen“ mehr Zeit, um innerlich umzuschalten – vom Schulkind zum Vereinskind, vom Vereinskind zum entspannten Kind Zuhause.
Wenn „Spaß“ auch Stress sein kann
Ein tricky Punkt: Nicht nur „Pflichttermine“ wie Schule oder Therapie können überfordern, auch schöne Dinge können zu viel werden. Drei Kindergeburtstage in zwei Wochen, Spielverabredungen, Freizeitpark, Übernachtungsbesuch – alles klingt toll, doch irgendwann ist der Akku leer. Kinder haben noch kein gutes Gefühl für ihre eigene Kapazität. Sie sagen schnell „Ja, ich komme!“, weil sie dazugehören und nichts verpassen wollen.
Vielleicht kennst du die Situation: Dein Kind freut sich riesig auf einen Geburtstag, und genau an dem Tag selbst kommen plötzlich Tränen: „Ich will da nicht hin!“ Für uns Eltern fällt das oft in die Kategorie „na toll, jetzt haben wir zugesagt“. Aber darunter steckt oft Überforderung. Dein Kind spürt, dass es eigentlich keine Kraft mehr hat für laute Spiele, viele Kinder, neue Eindrücke – kann das aber noch nicht in Worte fassen.
Hier hilft es, nicht nur die einzelnen Termine anzuschauen, sondern die Gesamtwoche. Wie viele „laute“ Tage hattet ihr? Wo war Schule besonders intensiv (z.B. Tests, Projekte, Konflikte in der Klasse)? Und an welchen Stellen hätte dein Kind eigentlich einen echten Pausentag gebraucht – ohne Programm, ohne Termin, ohne Verpflichtung?

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Gemeinsam mit deinem Kind auf die Bremse treten
Über Termine zu sprechen, ist immer auch ein bisschen heikel. Schließlich hängen an jedem Hobby Erwartungen: Wir haben Geld bezahlt, Trainer rechnen mit Anwesenheit, Freunde warten. Und oft hängt auch ein Teil unseres Elternstolzes daran („Mein Kind macht Musik / Sport / Verein XY“). Kein Wunder, dass es schwer fällt, runterzufahren.
Ein guter Anfang ist ein ehrliches Gespräch mit deinem Kind in einem ruhigen Moment. Nicht zwischen Tür und Angel, nicht wenn ihr beide schon gestresst seid. Vielleicht abends im Bett oder am Wochenende bei einem Kakao. Du könntest zum Beispiel sagen: „Mir fällt auf, dass du in letzter Zeit oft sehr müde und gereizt bist. Ich frage mich, ob wir zu viele Termine haben. Wie fühlt sich das für dich an?“
Wichtig ist, wirklich zuzuhören und nicht sofort zu bewerten. Wenn dein Kind sagt: „Ich will eigentlich nicht mehr zum Turnen“, ist das kein Angriff auf dich oder deine Entscheidung. Es ist ein Hinweis darauf, wie voll sein innerer Rucksack gerade ist. Ihr könnt dann gemeinsam überlegen: Pausieren wir das Hobby für ein paar Wochen? Gehen wir statt zweimal die Woche nur noch einmal? Oder verabschieden wir uns vielleicht ganz – zumindest für jetzt.
Manchmal ist es auch hilfreich, deinem Kind Optionen sichtbar zu machen: „Wenn du montags nicht mehr zum Training gehst, hättest du eine freie Zeit nach der Schule. Was würdest du gerne mit dieser Zeit machen?“ So wird aus dem Gefühl „mir wird etwas weggenommen“ eher ein Gefühl von „ich gewinne etwas zurück“ – nämlich freie Zeit und Entscheidungsraum.
Was du konkret verändern kannst
Termine zu streichen ist nur ein Teil der Lösung. Genauso wichtig ist, wie ihr mit den Terminen, die bleiben, umgeht. Kleine Veränderungen im Alltag können schon viel Druck rausnehmen. Zum Beispiel, indem ihr mehr Pufferzeiten einplant. Lieber zehn Minuten früher losfahren, damit der Übergang von Schule zum Hobby nicht aus Hektik besteht, sondern vielleicht noch Zeit für einen Snack oder ein kurzes Durchatmen bleibt.
Auch Abendrituale sind Gold wert, wenn dein Kind gestresst ist. Ein ruhiger Tagesabschluss ohne Bildschirm, vielleicht eine kurze Massage, ein Vorlesekapitel, ein leises Gespräch über den Tag. Das muss nichts Großes sein – aber etwas, das signalisiert: Jetzt ist Schluss mit Außenwelt, jetzt wird es gemütlich und sicher.
Und ganz ehrlich: Wir dürfen den Blick auch auf uns selbst richten. Wenn wir den Tag wie ein Marathon laufen, von Termin zu Termin hetzen, ständig im Kopf schon beim nächsten Punkt sind, spürt unser Kind das. Kinder orientieren sich stark an unserem Tempo. Manchmal ist es der größte Liebesdienst an unserem Kind, wenn wir uns selbst erlauben, auf die Bremse zu treten.

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Du bist keine „schlechte“ Mutter / kein „schlechter“ Vater, wenn du kürzertrittst
Viele von uns tragen leise Gedanken mit sich herum wie: „Wenn ich mein Kind aus dem Verein nehme, nehme ich ihm etwas weg.“ oder „Andere schaffen das doch auch, warum wir nicht?“ Diese Vergleiche machen es uns schwer, auf unser eigenes Kind und unsere Familie zu hören. Dabei ist genau das der wichtigste Kompass: Wie geht es deinem Kind wirklich – und wie geht es euch als Familie?
Es ist kein Zeichen von Schwäche, Termine zu reduzieren. Im Gegenteil: Es zeigt, dass du hinschaust, hinhörst und bereit bist, Verantwortung zu übernehmen. Dein Kind lernt dabei eine wertvolle Lektion fürs Leben: Es ist okay, auf die eigenen Grenzen zu achten. Es ist okay, nicht alles mitzumachen, was möglich wäre. Und es ist okay, Dinge wieder zu lassen, die nicht mehr gut tun.
Am Ende des Tages ist nicht entscheidend, wie viele Aktivitäten in eurem Kalender stehen, sondern wie ihr euch miteinander fühlt. Erinnern wir uns daran, dass Kindheit nicht nur aus Trainingsplänen, Hausaufgaben und Geburtstagen besteht, sondern aus vielen stillen Momenten dazwischen: gemeinsam kuscheln, albern sein, auf dem Teppich liegen und Lego bauen, zusammen in den Himmel schauen und Wolken zählen.
Wenn du also das Gefühl hast, dass euer Alltag aus allen Nähten platzt, darf das ein liebevolles Warnsignal sein – kein Urteil. Du darfst neu sortieren, kürzen, Pausen einbauen. Nicht, weil du versagt hast, sondern weil du dein Kind siehst. Und vielleicht merkst du auf dem Weg dorthin: Nicht nur dein Kind atmet auf, sondern du auch.
