
Wenn aus 20 Minuten Hausaufgaben 2 Stunden Kampf werden
Wie viel Hilfe ist okay – und wann ist es zu viel?
Es ist 15:30 Uhr. Eigentlich sollten die Hausaufgaben gleich erledigt sein – „nur ein paar Aufgaben im Heft“, hieß es. Doch eine Stunde später sitzt dein Kind noch immer am Tisch, der Radiergummi ist schon halb weg, und du hast das Gefühl, du kämpfst gegen Windmühlen. „Ich kann das nicht!“, „Das ist doof!“, „Ich will nicht mehr!“ – und plötzlich findest du dich in einem kleinen Drama wieder, das mit Mathe begann und mit Tränen endet. Du fragst dich: Warum ist das jedes Mal so ein Kampf?
Wenn du dich in dieser Szene wiedererkennst, bist du nicht allein. In unzähligen Familien laufen die Nachmittage ähnlich ab. Eigentlich soll Lernen eine Routine sein – 20 Minuten konzentriert arbeiten, fertig. Doch oft wird daraus ein emotionales Tauziehen zwischen Eltern, Kindern und den eigenen Erwartungen. Und die wichtigste Frage, die sich dabei stellt, lautet: Wie viel Hilfe ist eigentlich richtig?
Natürlich willst du dein Kind unterstützen. Du willst, dass es Erfolgserlebnisse hat, dass es versteht, worum es geht, dass es stolz auf sich sein kann. Aber manchmal kippt diese Unterstützung unbemerkt in Übernahme. Du erklärst, du formulierst, du rechnest mit – und ehe du dich versiehst, machst du die Hausaufgaben eigentlich selbst. Dein Kind sitzt daneben, spielt mit dem Stift und hat längst aufgehört, mitzudenken.

Banoo-Tipp: Denk-Hilfe statt Tat-Hilfe
Oft merken wir gar nicht, wie sehr uns das eigene Pflichtgefühl antreibt. Wir wollen, dass unser Kind „dranbleibt“, „nicht zurückfällt“, „es versteht“. Und genau da liegt der Knackpunkt: Wir übernehmen Verantwortung, die eigentlich gar nicht unsere ist. Hausaufgaben sind eine Aufgabe für das Kind – nicht für uns. Unsere Rolle ist die des Begleiters, nicht des Lehrers.
Aber das ist leichter gesagt als getan, wenn du ein Kind hast, das sich schnell entmutigen lässt oder bei jedem kleinen Fehler aufgibt. Vielleicht kennst du diese Sätze: „Ich kann das sowieso nicht!“ oder „Das ist viel zu schwer!“ – und du spürst, wie sich in dir ein Reflex meldet: Ich erklär’s eben kurz, dann geht’s schneller. Doch genau in diesem Moment nimmst du deinem Kind die Chance, zu lernen, dass es selbst Lösungen finden kann. Denn Lernen ist kein gerader Weg – es ist ein Rumpeln, Stolpern, Wiederaufstehen.
Viele Eltern berichten, dass sie sich während der Hausaufgaben in Rollen wiederfinden, die sie nie spielen wollten: Lehrer, Antreiber, Mahner. Dabei sollte das Zuhause eigentlich der Ort sein, an dem Kinder sich sicher fühlen dürfen – auch beim Lernen. Wenn die Hausaufgaben ständig zum Streit führen, lohnt sich ein Blick hinter die Kulissen: Liegt es wirklich an der Aufgabe, oder steckt mehr dahinter? Manchmal ist es Müdigkeit, Überforderung oder einfach der Wunsch nach Nähe, der hinter dem Widerstand steckt.

Banoo-Tipp: Kleine Pausen, große Wirkung
Ein weiterer Punkt: Kinder lernen in ihrem eigenen Tempo. Manche brauchen länger, um sich zu konzentrieren, andere um Neues zu verstehen. Der Vergleich mit anderen – sei es das Nachbarskind oder das Geschwisterchen – hilft da gar nicht. Ganz im Gegenteil: Er baut Druck auf. Und Druck ist der größte Lernkiller. Kinder spüren, wenn wir ungeduldig werden oder wenn unser Blick sagt: Das müsstest du doch längst können. Dabei wollen sie uns oft einfach gefallen – und versagen dann gerade deswegen.
Vielleicht hilft dir der Gedanke: Dein Kind braucht keine perfekte Unterstützung, sondern eine verlässliche. Es muss wissen: Mama oder Papa sind da, wenn ich wirklich Hilfe brauche – aber sie trauen mir auch zu, dass ich das allein schaffe. Diese Balance zwischen Nähe und Loslassen ist das, was Lernen zu Hause leichter macht. Und sie wächst mit jedem kleinen Schritt, den dein Kind selbstständig schafft.
Ein schöner Moment entsteht, wenn dein Kind plötzlich sagt: „Ich glaube, ich weiß, wie das geht!“ – und du dich zurücklehnen kannst. Vielleicht hast du dann nichts erklärt, nur kurz ermutigt oder einfach still dabeigesessen. Doch genau das war die richtige Art der Hilfe: da sein, ohne zu übernehmen. Denn Selbstvertrauen wächst aus eigener Erfahrung – nicht aus Vorgaben.

Banoo-Tipp: Das Lob am richtigen Ort
Und wenn es mal gar nicht läuft? Dann darfst du auch sagen: „Heute ist kein guter Tag, wir machen morgen weiter.“ Manchmal ist das die klügste Entscheidung. Denn Lernen braucht Pausen – genauso wie Beziehung. Dein Kind wird noch viele Hausaufgaben machen. Aber es wird sich immer daran erinnern, ob du dabei sein konntest, ohne dass es zum Kampf wurde.
Am Ende geht es nicht darum, dass die Aufgaben perfekt sind, sondern dass dein Kind sich selbst als fähig erlebt. Wenn es den Mut hat, dranzubleiben, auch wenn’s schwierig wird – dann ist das viel mehr wert als jede glatte Eins. Und wenn du es schaffst, nicht jede Aufgabe mitzuschreiben, sondern stattdessen Vertrauen zu schenken, dann wächst nicht nur dein Kind, sondern auch du als Elternteil. Schritt für Schritt – manchmal langsam, manchmal mit kleinen Rückschlägen – aber immer gemeinsam.
Vielleicht dauert es dann zwar nicht immer nur 20 Minuten. Aber die 2 Stunden, die es manchmal braucht, fühlen sich plötzlich gar nicht mehr wie ein Kampf an – sondern wie Zeit, die euch beiden etwas beigebracht hat.
