
Elternstress & Mental Load: Warum du abends so fertig bist – und es nicht an dir liegt
Wenn wir abends auf dem Sofa landen, ist es oft gar nicht der eine große Stressmoment, der uns so müde macht. Es ist eher das Gefühl, dass unser Kopf den ganzen Tag durchgelaufen ist wie ein vollgestopfter Computer mit hundert offenen Tabs. Schulzettel, WhatsApp-Elterngruppen, „Heute ist Turnbeutel-Tag“, „Morgen ist Vorlesetag“, Einkaufsliste, Zahnarzttermin, Streit am Frühstückstisch – alles schwirrt gleichzeitig in unserem Inneren herum. Und dann wundern wir uns, warum wir so erschöpft sind, obwohl „doch heute gar nichts Besonderes“ war.
Was wir oft erleben: Von außen sieht unser Alltag nach „ganz normalem Familienleben“ aus. Innen drin fühlt es sich aber an, als würden wir ständig irgendetwas jonglieren. Wir sitzen bei der Arbeit und denken daran, dass im Ranzen noch die Unterschrift unter dem Elternbrief fehlt. Wir stehen am Herd und planen im Kopf schon die Geburtstagsfeier. Wir bringen die Kinder ins Bett und überlegen, ab wann wir für den nächsten Urlaub die Ferienbetreuung klären müssen. Dieses ständige Mitdenken, Planen und Erinnern ist Mental Load.
Vielleicht kennst du diesen Moment morgens in der Küche: Die Kinder sitzen halb müde, halb zappelig am Tisch, ein Brot fällt runter, jemand findet seine Lieblingshose nicht, das Handy blinkt mit einer neuen Kita-Nachricht. Du bist gleichzeitig Frühstücksmanager, Streit-Schlichter, Suchdienst für Socken und Projektleitung für den Tag. Und während alle anderen schon aus der Tür sind, räumst du noch schnell die Brotdosen aus, wirfst eine Ladung Wäsche an und überprüfst gedanklich, ob heute noch irgendetwas Wichtiges ansteht. Noch bevor dein eigentlicher Arbeitstag beginnt, bist du schon ziemlich „durch“.
Was Mental Load wirklich ist – der unsichtbare Rucksack im Kopf
Mental Load ist wie ein unsichtbarer Rucksack voller To-dos, Gedanken und Verantwortlichkeiten, den wir den ganzen Tag auf dem Rücken tragen. Von außen sieht man ihn nicht, aber wir spüren sein Gewicht. Es geht nicht nur um das, was wir konkret tun, sondern um alles, was wir im Kopf behalten, mitplanen und vorausschauend organisieren. Wer denkt an Geschenke für Kindergeburtstage? Wer weiß, wann die nächste U-Untersuchung fällig ist? Wer hat auf dem Schirm, wann die Sportsachen wieder gewaschen werden müssen?
Im Familienalltag läuft dieser Mental Load oft wie ein Hintergrundprogramm. So wie auf dem Computer immer ein Virenscanner im Hintergrund mitläuft, scannen wir den Tag nach Dingen, die zu erledigen sind. „Reicht die Milch noch bis morgen?“, „Hat das Kind genug Zeit für das Referat?“, „Muss ich die Klassenlehrerin noch ansprechen?“ Dieses ständige Mitdenken verbraucht Energie, auch wenn wir äußerlich gerade „nur“ am Tisch sitzen oder mit den Kindern spielen.
Was uns manchmal schwer fällt: Mental Load ist schwer zu erklären, vor allem, wenn andere ihn selbst nicht so stark tragen. Wenn der Partner oder die Partnerin sagt: „Hättest du doch einfach was gesagt, ich hätte doch geholfen“, dann fühlt sich das manchmal eher wie ein Stich an als wie Unterstützung. Denn das „Hilfe organisieren“ ist ja genau ein Teil der Last. Wir wünschen uns, dass jemand selbst mitdenkt, nicht nur auf Anweisung handelt.
Alltagsszenen, in denen Mental Load besonders spürbar wird
Im Morgenchaos merken wir es daran, dass wir schon beim Aufstehen eine innere Liste ablaufen: Kleidung checken, Frühstück planen, Brotdosen packen, Termine im Kopf durchgehen, Kinder antreiben, an alles erinnern. Wenn dann noch ein Kind sagt: „Mama, ich brauche heute eine Verkleidung für die Schule, das habe ich vergessen dir zu sagen“, steht innen drin kurz alles still – und wir springen in den Notfallmodus.
Am Nachmittag taucht der Mental Load oft in den kleinen Übergängen auf: Du kommst mit den Kindern nach Hause, alle sind hungrig, müde, reizbar. Hausaufgaben, Hobbys, Verabredungen, Bildschirmzeit-Regeln – alles will koordiniert werden. Während du versuchst, ein halbwegs gesundes Abendessen auf den Tisch zu bringen, klärst du nebenbei eine WhatsApp-Nachricht von einer anderen Mutter, erinnerst dein Kind an das Arbeitsblatt, das noch fehlt, und sortierst im Kopf, ob der morgige Tag mehr Vorbereitung braucht.
Abends, wenn es ruhiger wird, taucht dann die große Welle auf: Du liegst im Bett und plötzlich kommen all die Dinge, die tagsüber keinen Platz mehr hatten. „Ich muss noch bei der Logopädin anrufen“, „Wir brauchen neue Schuhe“, „Haben wir eigentlich schon für die Klassenfahrt gezahlt?“, „Wie sollen wir das mit den Ferien organisieren?“ Statt runterzufahren, dreht sich der Kopf weiter. Kein Wunder, dass wir nicht einschlafen oder erschöpft auf dem Sofa hängen.

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Warum es nicht an dir liegt – und du trotzdem etwas verändern darfst
Es ist wichtig zu sagen: Es liegt nicht an dir, dass du abends so fertig bist. Familienalltag ist heute oft organisiert wie ein kleines Unternehmen – nur ohne Sekretariat, ohne Projektmanager und ohne bezahlte Überstunden. Viele von uns tragen zusätzlich eine bezahlte Arbeit, Haushaltsaufgaben, Beziehungsarbeit und natürlich die emotionale Begleitung der Kinder.
Gleichzeitig ist die Erwartung an uns Eltern enorm hoch. Wir sollen liebevoll, geduldig, präsent, informiert, gesund kochend, pädagogisch wertvoll, digital kompetent und natürlich auch noch entspannt sein. Social Media und Elterngruppen zeigen uns ständig Bilder, wie es „idealerweise“ laufen könnte. Innen drin bleibt oft das Gefühl zurück: „Alle anderen kriegen es besser hin, nur ich nicht.“ Genau hier wird Mental Load doppelt schwer, weil sich zur Last noch Selbstzweifel gesellen.
Was wir uns selten zugestehen: Wir arbeiten den ganzen Tag – auch dann, wenn wir „nur kurz“ die Sporttasche packen, ein Elterngespräch vorbereiten oder eine schwierige Situation mit dem Kind innerlich nachbesprechen. Emotionale Arbeit ist echte Arbeit. Planung ist echte Arbeit. Dieses innere Mittragen sieht niemand auf einer Gehaltsabrechnung, aber unser Körper und unser Nervensystem spüren es deutlich.

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Wenn To-do-Listen nur länger werden – neue Wege im Familienalltag
Viele von uns kennen diese langen To-do-Listen, die einfach nie kürzer werden. Jedes abgehakte Kästchen fühlt sich gut an, aber gleichzeitig kommen drei neue Punkte dazu. Statt uns zu entlasten, erinnern uns die Listen oft daran, was wir alles noch nicht geschafft haben. Es ist, als würden wir jeden Tag ein Rennen laufen, bei dem die Ziellinie immer ein Stück nach hinten geschoben wird.
Ein möglicher Ausweg ist, nicht nur nach „Was muss alles erledigt werden?“ zu fragen, sondern auch nach „Was muss wirklich heute sein?“ und „Was kann weg oder später?“. Manchmal hilft es, die To-dos in grobe Kategorien einzuteilen, damit das Gefühl von „Ich schaffe das nie“ etwas kleiner wird. Zum Beispiel kann es sinnvoll sein, die Aufgaben so zu sortieren:
- Muss heute sein (z. B. Kind abholen, Medikament holen, Formulare abgeben)
- Gut, wenn es diese Woche klappt (z. B. Kleiderschrank sortieren, Termin bei der Zahnreinigung vereinbaren)
- Kann warten, ohne dass die Welt untergeht (z. B. Fotos sortieren, Deko-Idee fürs Kinderzimmer)
Schon allein diese Einteilung nimmt Druck raus, weil klarer wird, dass nicht alles gleichzeitig gehen kann. Auch gemeinsam mit den Kindern kann man darüber sprechen, was wirklich wichtig ist. Manchmal möchten wir alles perfekt machen, obwohl die Kinder eigentlich nur wollen, dass jemand Zeit hat, ihnen wirklich zuzuhören oder kurz mit ihnen zu spielen.
Hilfreich kann es auch sein, To-dos nicht mehr nur „mit dir selbst“ zu besprechen, sondern sichtbar im Familienalltag zu machen: ein Whiteboard in der Küche, ein Wochenplan an der Wand oder eine einfache Magnettafel. So sehen auch die anderen, was ansteht, und du bist nicht die einzige Person, die den Plan im Kopf mit sich herumträgt.

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Gemeinsam tragen statt alleine jonglieren
Im Idealfall ist Familie ein Team, in dem nicht eine Person alles im Kopf hat und die anderen „helfen“, sondern alle Verantwortung übernehmen. In der Realität ist das oft ein Weg, kein Zustand, den man einmal erreicht und dann ist alles gut. Gerade wenn eine Person lange Zeit „die Projektleitung Familie“ übernommen hat, braucht es Zeit und klare Absprachen, um Aufgaben wirklich neu zu verteilen.
Ein wichtiger Unterschied ist, ob jemand sagt: „Sag einfach, wobei ich dir helfen kann“ oder ob jemand von sich aus Bereiche übernimmt. Hilfe bedeutet oft: Du bleibst zuständig und gibst Aufgaben ab. Verantwortung übernehmen bedeutet: Jemand anderer denkt selbst mit, plant, erinnert sich, organisiert. Für den Mental Load macht das einen riesigen Unterschied.
Vielleicht kann es ein gemeinsamer Startpunkt sein, wenn ihr euch als Eltern einmal bewusst zusammensetzt und aufschreibt, welche unsichtbaren Aufgaben es bei euch gibt: Wer behält Arzttermine im Blick? Wer hält Kontakt zur Schule oder Kita? Wer organisiert Hobbys, Kleidung, Geschenke, Urlaube? Schon diese Transparenz kann ein Augenöffner sein – und eine Grundlage, um neu aufzuteilen.
Wie du milder mit dir selbst sein kannst
Neben all den praktischen Tipps ist ein Punkt besonders wichtig: Sei milde mit dir. Du leistest jeden Tag enorm viel, auch an Tagen, an denen du denkst: „Heute habe ich gar nichts geschafft.“ Oft haben wir im Kopf ein Idealbild von Elternschaft, das mit unserem echten Leben wenig zu tun hat. Wir vergleichen unseren ungeschminkten Alltag mit den Hochglanzmomenten anderer und verlieren dabei komplett aus dem Blick, wie viel wir schon tun.
Manchmal hilft es, abends nicht zu fragen: „Was habe ich heute alles nicht geschafft?“, sondern: „In welchen Momenten war ich heute wirklich da – für mein Kind, für mich, für uns als Familie?“ Vielleicht war es das gemeinsame Lachen über einen dummen Witz am Esstisch, der spontane Stopp auf dem Heimweg, um eine Kastanie aufzuheben, oder die ruhige Umarmung nach einem Streit. Diese Augenblicke sind mindestens so wichtig wie eine perfekt abgearbeitete Liste.
Wann es zu viel wird – und du Unterstützung brauchst
Es gibt Phasen, da ist der Rucksack einfach zu schwer. Wenn du dauerhaft nicht mehr abschalten kannst, schlecht schläfst, dich innerlich leer fühlst oder oft denkst „Ich funktioniere nur noch“, ist das ein wichtiges Warnsignal. Niemand muss das alleine aushalten. Manchmal hilft schon ein offenes Gespräch im Freundeskreis oder mit anderen Eltern, die ehrlich von ihrem Alltag erzählen. Manchmal braucht es professionelle Unterstützung – bei einer Beratungsstelle, einer Psychotherapeutin oder dem Hausarzt.
Das hat nichts mit Schwäche zu tun. Im Gegenteil: Es ist ein Zeichen von Stärke, zu merken „So wie bisher geht es nicht weiter“ und sich Hilfe zu holen. Wir würden unser Kind ja auch nicht mit einer schweren Last allein laufen lassen. Warum sollten wir es mit uns selbst tun?
Du darfst dir bewusst machen: Du bist nicht das Problem. Du bist Teil der Lösung – für deine Familie und für dich selbst. Wenn du beginnst, deinen Mental Load ernst zu nehmen, Grenzen zu ziehen, Aufgaben neu zu verteilen und dich selbst freundlicher zu sehen, veränderst du etwas Wichtiges. Nicht von heute auf morgen, aber Schritt für Schritt.
Am Ende des Tages darfst du dir sagen: „Ich habe heute getragen, geplant, geliebt, begleitet, getröstet, organisiert.“ Das sieht man nicht an der vollen Spülmaschine oder an der perfekt sortierten Schultasche. Aber es steckt in deinen müden Augen, in deinen Gedanken, in deinem Herz. Und genau das macht dich zu der Mama oder dem Papa, die oder der du bist – genug, auch wenn die To-do-Liste immer noch nicht leer ist.
