
Lernstrategien für Grundschulkinder – weg vom Auswendiglernen
Wenn es um Schule geht, rutschen viele von uns automatisch in das Muster, das wir selbst als Kinder erlebt haben: still sitzen, abschreiben, wiederholen, auswendig lernen. „Hauptsache, die Note stimmt.“ Erst, wenn wir abends neben unserem müden Grundschulkind sitzen, merken wir, dass diese Art zu lernen sich oft anfühlt wie ein voller Rucksack, der immer schwerer wird. Unser Kind schaut auf das Einmaleins, auf die Rechtschreibwörter oder das Sachkundethema – und wir sehen in seinem Blick: Das ist gerade einfach nur viel.
Vielleicht erlebst du es auch so: Du fragst das Einmaleins ab, dein Kind sagt die Reihen mit Mühe auf, und eine Stunde später ist wieder alles weg. Oder ihr übt immer und immer wieder dieselben Lernwörter, aber in der Arbeit sind trotzdem Fehler drin. Das fühlt sich frustrierend an – für dein Kind und für dich. Dann kommt schnell der Gedanke: „Wir müssen einfach noch mehr üben.“ In Wirklichkeit braucht dein Kind oft nicht mehr, sondern anders.
Warum Auswendiglernen alleine nicht reicht
Auswendiglernen funktioniert ein bisschen wie ein Schnellhefter: Informationen werden kurzfristig hineingestopft, damit sie zur Klassenarbeit da sind – und danach fallen sie schnell wieder heraus. Kinder können zwar kurzfristig glänzen, aber das Gelernte ist nicht wirklich im Alltag angekommen. Spätestens, wenn im nächsten Schuljahr darauf aufgebaut wird, geht das Ganze von vorne los.
Das Gehirn von Kindern liebt Bilder, Bewegung, Gefühle und Geschichten. Es möchte nicht nur „Zahlen und Buchstaben“, sondern Erlebnisse. Je mehr Sinne beim Lernen angesprochen werden, desto eher bleibt etwas hängen. Ein Kind, das beim Einmaleins hüpft, klatscht, malt, erzählt oder spielt, verknüpft die Inhalte mit echten Erfahrungen. Lernen wird dadurch lebendiger – und deutlich weniger anstrengend.
Der große Schritt „weg vom Auswendiglernen“ bedeutet also: Wir holen das Lernen aus dem trockenen Kopf in den ganzen Körper und in den Alltag. Wir ersetzen reine Wiederholung durch Strategien, die Spaß machen dürfen. Und wir erlauben unseren Kindern, ihren ganz eigenen Weg zu finden – auch wenn er sich anders anfühlt als das, was wir aus unserer Schulzeit kennen.

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Visualisieren – wenn Lernen Bilder bekommt
Viele Kinder denken in Bildern. Sie merken sich Gesichter, Situationen oder Dinge im Zimmer viel leichter als abstrakte Zahlen oder Wörter. Wenn du das nutzt, kann Lernen plötzlich ruhig und spannend zugleich werden. Beim Einmaleins können bunte Punktfelder, Malbilder oder kleine Skizzen helfen, aus „3 × 4“ etwas Sichtbares zu machen.
Ein Beispiel aus dem Alltag: Ihr sitzt am Küchentisch und übt das 4er-Einmaleins. Statt die Reihe „4, 8, 12, 16 …“ einfach runterzusprechen, malt dein Kind vier Punkte in eine Reihe, dann noch eine Reihe und noch eine. Aus „3 × 4“ wird ein Bild aus drei Reihen mit je vier Punkten. Dein Kind sieht, dass es insgesamt 12 sind. Nach und nach werden aus den Bildern im Kopf stabile Vorstellungen.
Auch beim Rechtschreiben wirkt Visualisierung Wunder. Schwierigere Wörter können farbig markiert oder in „Stolperstellen“ unterteilt werden. Das Wort „Fahrrad“ zum Beispiel: Dein Kind malt die beiden „r“ vielleicht in einer anderen Farbe oder zeichnet ein kleines Rad daneben. Oder bei „Pirat“ malt es ein Auge mit Augenklappe über das „i“. Je verrückter der Bezug, desto besser bleibt das Wort hängen.
Im Zimmer oder am Schreibtisch können kleine Lernplakate entstehen: Einmal Einmaleins als bunte Tabelle, Lernwörter mit kleinen Bildern, Sachkundethemen in Mindmaps. Diese Plakate müssen nicht perfekt sein – sie sollen vom Kind kommen. Wenn dein Kind sein eigenes „Lernposter“ gestaltet, steckt darin viel mehr Erinnerung als in einer kopierten Vorlage.
Bewegung – der Lernstoff geht mit auf Wanderschaft
Viele Kinder können nicht gut lernen, wenn sie still sitzen müssen. Sie zappeln, rutschen, stehen auf – und wir sagen schnell: „Setz dich hin, sonst kannst du dich doch nicht konzentrieren.“ Dabei hilft gerade die Bewegung, den Kopf freizubekommen. Lernen darf ruhig auch mal laut und aktiv sein, besonders in der Grundschule.
Beim Einmaleins könnt ihr zum Beispiel ein „Treppen-Einmaleins“ machen. Bei jeder Zahl geht dein Kind eine Stufe hoch oder runter und sagt dabei das Ergebnis. „3 × 4 = 12“ – drei Stufen, bei jeder Stufe „4, 8, 12“. Oder ihr spielt Einmaleins-Fangen im Garten: Du rufst „5 × 3“, dein Kind ruft „15“ zurück, erst dann darfst du es fangen. So entsteht Bewegung, Spannung und Wiederholung gleichzeitig.
Auch Rechtschreibung funktioniert in Bewegung. Wörter können in die Luft geschrieben, mit den Füßen „abgelaufen“ oder auf den Boden geklatscht werden. Silben klatschen hilft vielen Kindern, das Wortgefühl zu entwickeln: „Pi-rat“, „Ba-na-ne“, „Fahr-rad“. So entsteht ein Rhythmus, der im Kopf bleibt.
Wenn Hausaufgaben oder Lernen schwierig starten, kann eine kurze Bewegungsrunde Wunder wirken. Drei Minuten Hampelmänner, einmal durchs Wohnzimmer hüpfen, ein kurzes Kissen-Schlacht-Mini-Spiel – danach ist der Kopf oft wieder klarer. Gerade nach einem langen Schultag ist das wichtiger als noch eine zusätzliche halbe Stunde stilles Sitzen.
Geschichten – wenn Zahlen und Wörter zu Figuren werden
Geschichten sind das Lieblingswerkzeug vieler Kinder. Sie bleiben, weil sie Gefühle auslösen. Wir erinnern uns an Geschichten, die uns berührt oder zum Lachen gebracht haben, oft noch Jahre später. Warum also nicht den Lernstoff in kleine Erzählungen verpacken?
Beim Sachkunde-Thema „Wasser“ kann eine Geschichte von einem Wassertropfen helfen, der als Regen fällt, in einen Bach kommt, ins Meer fließt und schließlich verdunstet. Dein Kind begleitet diesen Wassertropfen durch den ganzen Kreislauf, statt nur Begriffe wie „Verdunstung“ und „Niederschlag“ zu pauken.
Auch beim Einmaleins lassen sich Geschichten nutzen. Vielleicht denkt sich dein Kind aus, dass die „3er-Reihe“ eine Gruppe von drei Freunden ist, die immer gemeinsam unterwegs sind. Bei „3 × 4“ besuchen die drei Freunde vier Häuser, in jedem Haus warten drei Kinder – am Ende feiern 12 Kinder zusammen. Das klingt erst mal verspielt, aber genau diese Bilder sorgen dafür, dass die Zahl 12 im Kopf bleibt.
Beim Rechtschreiben können Wörter zu kleinen Persönlichkeiten werden. Das Wort „holen“ könnte der vergessliche Hund sein, der immer wieder „das h holen“ muss. Oder „Fabrik“ ist der laute, dampfende Ort, an dem Wörter hergestellt werden. Solche Eselsbrücken sind keine Zeitverschwendung, sondern ein genialer Trick des Gehirns, um Informationen festzuhalten.

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Spiele – Lernen, ohne dass es wie Lernen aussieht
Kinder lieben Spiele. Und wir ehrlich gesagt auch – zumindest, wenn sie nicht in Streit ausarten. Viele Lerninhalte der Grundschule lassen sich wunderbar in einfache Spiele verwandeln, die zwischendurch passen: beim Warten auf das Abendessen, im Auto, auf dem Weg zur Schule.
Für das Einmaleins eignen sich zum Beispiel Karten-Spiele. Ihr bastelt euch Karten mit Aufgaben (z.B. „4 × 6“, „7 × 8“) und legt sie verdeckt wie ein Memory aus. Wer eine Karte umdreht und das Ergebnis richtig sagt, darf sie behalten. Wer sie falsch sagt, legt sie zurück. So wiederholen sich die Aufgaben ganz automatisch.
Beim Rechtschreiben können Lernwörter als „Wort-Jenga“ genutzt werden: Jedes Mal, wenn ihr einen Stein aus dem Turm zieht, sagt dein Kind ein Lernwort und buchstabiert es. Oder ihr spielt „Galgenmännchen“ mit den aktuellen Lernwörtern, aber ohne Druck – einfach als Spaß-Runde.
Auch Brettspiele lassen sich leicht abwandeln. Vielleicht würfelt ihr und bei jeder geraden Zahl gibt es eine kleine Rechenaufgabe, bei jeder ungeraden ein Lernwort. Oder ihr baut eine Murmelbahn, bei der an bestimmten Stellen Karten mit Fragen liegen, die beantwortet werden müssen, bevor die Murmel weiterrollen darf.
Beispiele aus dem Familienalltag – so kann es aussehen
Stell dir einen Nachmittag vor: Dein Kind kommt aus der Schule, ist müde, aber halbwegs ansprechbar. Statt direkt an den Schreibtisch zu gehen, macht ihr erst einen kleinen Snack und eine Pause. Dann schaut ihr euch gemeinsam das Hausaufgabenheft an. Es steht Mathe und Lesen drauf, plus ein Hinweis: „Einmaleins üben“.
Ihr entscheidet: Erst die Hausaufgaben – vielleicht 15 bis 20 Minuten. Danach wird der Timer auf 10 Minuten gestellt. In diesen 10 Minuten macht ihr „Einmaleins-Bewegungsspiel“: Ihr werft euch einen Ball zu, und bei jedem Wurf sagt einer eine Aufgabe, der andere das Ergebnis. Danach ist Schluss, der Timer klingelt, und das Thema Einmaleins ist für heute erledigt.
Später am Abend, kurz vor dem Schlafengehen, lest ihr noch eine Geschichte. Vielleicht darf dein Kind ein Lernwort, das es schwierig findet, in die Geschichte einbauen. Aus „Fahrrad“ wird dann ein lustiges, buntes Fahrrad, das plötzlich im Märchenwald auftaucht. So fließt Lernen unauffällig in den Alltag, ohne dass der ganze Nachmittag davon bestimmt wird.
Wenn es trotzdem nicht klappt – Druck rausnehmen ist erlaubt
Es wird Tage geben, an denen jede Strategie scheitert. Dein Kind ist einfach drüber, du auch. Dann bringt das schönste Visualisieren, die kreativste Geschichte und das liebevollste Spiel nichts mehr. In solchen Momenten ist es keine Niederlage, sondern ein Akt der Fürsorge, das Lernen abzubrechen.
Du darfst der Lehrkraft gegenüber ehrlich sein: „Gestern ging nichts mehr, wir haben nicht alles geschafft.“ Kinder sind keine Maschinen, und wir Eltern auch nicht. Ein sicherer, entspannter Rahmen hilft beim Lernen mehr als jede zusätzliche Übungseinheit. Und langfristig zählt nicht, ob an einem Dienstag in der zweiten Klasse alle Lernwörter perfekt saßen, sondern ob dein Kind neugierig geblieben ist.

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Fazit: Dein Kind darf anders lernen – und du auch
Weg vom Auswendiglernen heißt nicht, dass gar nichts mehr geübt wird. Es bedeutet, dass Üben sich nicht wie eine endlose Strafarbeit anfühlen muss. Bilder, Bewegung, Geschichten und Spiele machen das Lernen bunter – und sorgen dafür, dass Wissen wirklich im Kopf und im Herzen ankommt.
Du musst dafür nicht zur Profi-Lehrkraft werden. Kleine Veränderungen im Alltag reichen oft schon: ein Lernplakat, ein paar Minuten Bewegungs-Einmaleins, eine erfundene Geschichte, ein kurzes Spiel mit Karten. Schritt für Schritt entsteht so euer ganz eigener Lernstil, der zu deinem Kind, zu dir und zu eurem Familienleben passt.
Und vielleicht merkst du irgendwann: Es geht gar nicht nur darum, dass dein Kind die richtige Lösung weiß. Es geht darum, dass es Vertrauen in sich selbst entwickelt – und spürt, dass Lernen etwas sein darf, das neugierig macht, statt Angst zu machen. Genau dabei kannst du dein Kind begleiten. Nicht perfekt, aber liebevoll. Und das ist am Ende das, was bleibt.
