Land in Sicht: Freundschaft!

Kapitel 3 - Flussabwärts! Die Suche nach dem Schwimmring

Im alten Schloss Spukstein, hoch über dem Fluss, war es an diesem Morgen ungewohnt still. Banoo, das fröhliche Schlossgespenst, schwebte durch die Halle und blieb vor Karl stehen. Karl saß auf der Treppenstufe und starrte auf seine Zehen. Sein Blick wirkte schwer.

„Alles gut bei dir?“, fragte Anton leise und setzte sich neben ihn. Banoo nickte aufmunternd. „Wenn was drückt, sag’s ruhig. Wir sind da.“

Karl räusperte sich, druckste herum, zog die Schultern hoch und ließ sie wieder fallen. Dann kam es doch heraus, ganz schnell, als hätte er Angst, die Worte würden sonst wieder verschwinden: „Ich … ich hab meinen Lieblings-Schwimmring verloren. Unten am Fluss. Ich war baden, hab den Ring ans Ufer gelegt – und als ich ihn wieder anziehen wollte, war er weg.“

Ein Moment lang wurde gar nichts gesagt. Nur das ferne Rauschen des Wassers klang den Schlossgang herauf. Dann schwebte Banoo dichter heran und tippte Karl mit einem kühlen, aber freundlichen Plopp gegen den Ärmel. „Traurig sein ist erlaubt“, sagte er warm. „Und gemeinsam suchen ist …“ – er grinste – „… bootastisch!“

„Flüsse tragen Dinge flussabwärts“, erklang da eine ruhige Stimme von oben. Isi, die kluge Eule, hatte alles mit angehört und saß nun auf dem Türbalken. „Wenn der Ring nicht genommen wurde, ist er mit der Strömung gewandert. Wir sollten unten im Bärental am Ufer entlanggehen – flussabwärts.“

Die Freunde nickten. Keine Sekunde später waren sie unterwegs: Anton vorneweg, Karl an seiner Seite, Banoo schwebte über dem Pfad, und Isi glitt mit breiten Flügelschlägen von Ast zu Ast. Der Fluss funkelte zwischen Schilf und Weiden, und aus dem Dorf Bärental wehte der Duft von frischem Brot herüber.

„Augen auf!“, rief Anton. „Alles, was rund ist oder rot blitzt, könnte ein Hinweis sein!“ Karls Schwimmring war nämlich rot-weiß gestreift – das wusste jeder.

Schon bald watschelte ihnen etwas entgegen: eine Ente mit besonders stolzer Brust. „Quak! Ihr sucht was Rundes?“, schnatterte sie. „Ich habe heute früh ein rotes Etwas vorbeihuschen sehen. Es hat sich beim großen Weidenbaum im Schilf verfangen, quak!“

„Danke, Frau Ente!“, sagte Banoo und verneigte sich ernsthaft, was bei einem Gespenst recht lustig aussah. Sie eilten weiter zum Weidenbaum, dessen lange Zweige wie grüne Vorhänge ins Wasser hingen.

„Hier!“, rief Karl und zeigte auf ein paar plattgedrückte Halme. „Da ist jemand durch!“ Anton schob das Schilf beiseite, doch vom Ring keine Spur. Nur ein Frosch lugte hervor und blinzelte schläfrig. „Entschuldige, Herr Frosch“, flüsterte Anton freundlich, „haben Sie einen Schwimmring gesehen?“

Der Frosch räusperte sich. „Hm. Plupp. Etwas Rundes hat vorhin plopp gemacht und ist wieder losgeschwommen. Ich hörte ein Klappern. Vielleicht hat es sich bei einem Boot verfangen. Am Steg weiter unten liegt ein Ruderboot, festgebunden an einem Seil. Plupp.“

„Ein angeleintes Ruderboot!“, wiederholte Karl und seine Augen wurden ein wenig heller. „Könnte sein …“. Sie folgten dem Uferpfad. Zwischen zwei Steinen raschelte es: Ein Biber, der an einem kleinen Damm nagte, hob kurz die Pfote. „Falls ihr was sucht – im Seitenarm hinter dem Erlenbusch zieht die Strömung gern Dinge unter den Steg“, brummte er hilfsbereit. „Passt auf die glitschigen Bretter auf.“

„Danke dir!“, rief Banoo. „Das ist ja eine richtige Fluss-Spurensuche.“

Als sie den Steg erreichten, sahen sie das Ruderboot sofort. Es schaukelte sanft, ein dickes Seil hielt es fest am Pfosten. Das Wasser gluckerte, und der Schatten unter dem Steg sah aus wie ein dunkler Mund.

banoo.boo Logo „Ich schau als Erster“, sagte Anton und kniete sich auf die Bretter. Er tastete nach einem langen Ast, der zwischen den Pfählen steckte. „Wenn der Ring da hängt, können wir ihn vielleicht heranziehen.“. Karl hielt die Luft an. Banoo schwebte neben Anton und ließ ein leises, ermunterndes Wuuusch hören.

Isi hockte auf dem Pfosten und beobachtete jede Bewegung. Vorsichtig führte Anton den Ast an den Bootsrand. Einmal, zweimal glitt er am Seil vorbei. Beim dritten Mal spürte er Widerstand. „Da ist etwas!“, murmelte er. Er hakte nach, zog langsam, ganz langsam, bis etwas Rundes aus dem Wasser stieg. Tropfen funkelten in der Sonne wie kleine Sterne.

„Der Ring!“, rief Karl, sprang auf und stolperte fast vor Freude. „Mein Ring!“. Anton legte das nasse, rot-weiß gestreifte Gummi behutsam aufs Holz. Karl kniete sich dazu, strich mit der Hand darüber und seufzte – diesmal vor Erleichterung. „Danke … euch allen.“ Seine Stimme war noch ein bisschen wackelig, aber sie klang wieder nach Karl.

Banoo klatschte – ein Gespensterklatschen klingt wie ein sanfter Windstoß. „Das nenn ich einen bootastischen Fund!“

„Die Hinweise der Tiere waren entscheidend“, sagte Isi und plusterte die Federn. „Und dass du ehrlich gesagt hast, wie es dir geht, Karl. So konnten wir überhaupt los.“

„Ich hab mich geschämt“, gab Karl zu. „Es war doch nur ein Ring … aber für mich ist er wichtig. Er erinnert mich an den Sommer am See mit meinem Opa.“

Anton nickte ernst. „Wenn etwas dir wichtig ist, ist es wichtig. Punkt.“

Gemeinsam gingen sie den Flussweg zurück. Die Ente schnatterte ihnen ein „Gern geschehen!“ hinterher, der Frosch quakte zufrieden, und der Biber hob noch einmal die Pfote. Über dem Wasser legte sich ein warmes, goldenes Licht, und die Berge rund um Spukstein schienen näher zu rücken, als wollten sie lauschen.

Oben im Schloss trockneten sie den Ring am Kamin. Karl legte ihn neben sich, als säße dort ein kleiner, stiller Freund. „Ich werde besser auf dich aufpassen“, murmelte er und lächelte.

„Und wir passen aufeinander auf“, ergänzte Banoo. „Denn so finden wir Dinge – und Mut.“

Isi nickte. „Manchmal zeigt ein verlorener Ring, was man eigentlich hat: Freunde, die mit dir flussabwärts gehen.“

Später, als draußen die Grillen sangen und das Dorf Bärental leise wurde, erzählten sie sich die ulkigsten Momente des Tages noch einmal. Jedes Lachen machte den Ring ein bisschen runder, ein bisschen heller. Und als das Feuer nur noch glühte, dachte Karl: Heute war ein schöner Tag!