Banoos Gespenster-Schnupfen

Kapitel 5 - Banoos Gespenster-Schnupfen

Der Morgen über Spukstein schimmerte milchig. Nebel hing wie feine Tücher über den Türmen, der Fluss unten bei Bärental gluckerte verschlafen. Normalerweise jagte Banoo in dieser Stunde Sonnenflecken, ließ Vorhänge wehen und rief mindestens dreimal „bootastisch!“ in die Welt. Heute lag er im Turmzimmer, die Stirn heiß, die Nase tröpfelnd wie ein undichter Wasserhahn.

„Mir geht’s priii—“ Er wollte „prima“ rufen, aber daraus wurde ein krächzendes „… äh … ziemlich okay.“ Um überzeugend zu wirken, malte er mit Kreide ein Lächeln auf sein Laken. Beim nächsten „Hatschi!“ rutschte das Lächeln Richtung Ohr.

Genau in diesem Moment standen seine Freunde in der Tür. Anton, der kleine Affe, stemmte die Hände in die Hüften und nickte streng, aber freundlich. „Patient Banoo. Diagnose: Verboozter Schnupfen. Therapie: Bett, Wärme, Ruhe.“ Noch ehe Banoo protestieren konnte, hatte Anton Kissen aufgeschüttelt, Decken über Decken geschichtet und eine Zelt-Höhle gebaut, in der es duftete wie nach frischgebackenem Brot (Anton hatte eine Wärmesteinplatte in ein Tuch gewickelt).

banoo.boo Logo Isi, die kluge Eule, segelte herein und landete geräuschlos. Drei dicke Rezeptbücher lagen auf ihrem Rücken. „Kapitel sieben: Kranke Geister, zarte Gemüter“, flüsterte sie und blätterte mit dem Flügel. „Wir kochen die Stärkebrühe aus Thymian, Zwiebel, Sternanis und einer Prise Mut.“ In der Küche ließ sie Zwiebeln tanzen, und der Kessel sang bald ein leises blubb-blubb. Der Duft kroch die Treppe hinauf, legte sich wie warmer Sonnenschein über Banoos Brust.

Ganosch, der Kater, kam auf Samtpfoten. Ohne Worte sprang er aufs Bett, rollte sich zu einem perfekten Fellkringel und legte die Stirn an Banoos Bauch. „Schnurrthermometer meldet: Fieber, aber fallend“, brummte er und schnurrte tiefer. Die Matratze vibrierte ganz sacht, als stünde ein winziger Ofen darunter.

Aus dem Mauseloch huschte Pfefferkorn, die kleine Maus, mit ernster Miene und einem winzigen Fieberthermometer quer über der Schulter. Hinter ihr trappelten zwei Assistenten-Krümel (man war sich einig, dass die Krümel nur Krümel hießen und keine eigenen Namen wollten). Pfefferkorn stellte eine Mini-Trittleiter an, kletterte hoch und tippte Banoo liebevoll auf die Stirn. „Nicht bewegen. Einatmen … ausatmen … ausgezeichnet.“ Mit einem frisch gefalteten Taschentuch tupfte sie den Schweiß von Banoos Stirn. „Temperatur sinkt“, piepste sie zufrieden, strich das Laken glatt und steckte das Thermometer in ihr Mäuseetui, das einst ein Knopf gewesen war.

Da rumpelte es auf dem Flur. Karl, das Schlosskrokodil, betrat vorsichtig das Zimmer, damit seine Schwanzspitze nicht gegen den Türrahmen klopfte. Unter seinem Arm türmte sich ein Gebirge aus Büchern. „Antrag: Lachmedizin in hoher Dosis“, grollte er in seiner warmen, tiefen Stimme. Er setzte sich auf den Stuhl neben dem Bett, spreizte eine Kralle (die war erstaunlich zart), blätterte und begann: „Der Ritter mit dem viel zu großen Helm.“

Bei der Stelle, wo der Ritter beim Niesen seinen Helm aus dem Fenster pustete, kicherte Banoo. Ganosch schnurrte lauter. Anton klatschte im Takt. Pfefferkorn wischte sich vor Lachen eine Träne weg, ohne ihre Professionalität zu verlieren. Isi kam mit der Schale Brühe herein, und die ganze Szene roch nach Thymian und Abenteuer.

So verging der erste Tag. Morgens Suppe, mittags Geschichten, abends Schnurrkonzert. In der Nacht hörte man nur das Atmen des Schlosses und gelegentlich ein leises „tock-tock“, wenn Karls Schwanz im Traum vor Freude gegen den Stuhl stupste.

Am zweiten Tag hatte Anton eine Idee. „Frischluft, aber sanft!“ Er öffnete das Fenster nur einen Spaltbreit, so dass ein Bergwind wie eine kühle Pfote durchs Zimmer strich. Pfefferkorn stellte Wacht am Fenster: „Nicht zu viel Wind, bitte! Patient liegt im Genesemodus.“ Ganosch nickte fachmännisch. „Genesemodus bestätigt.“ Isi brachte einen Kräuterduftstein, den sie mit Honig bepinselt hatte. Karl wechselte das Fachgebiet und las Zungenbrecher gegen trübe Gedanken: „Klein Karl klopft kluge Klänge“ – an dieser Stelle lachten alle, sogar Karl selbst, baff über sein eigenes Krokolachen.

Als die Dämmerung kam, spielte sich im Hof ein kleines Wunder ab. Die Raben setzten sich wie Noten auf die Schlosszinnen, und der Fluss klang, als würde er applaudieren. „Ich fühle mich …“ Banoo suchte nach dem Wort und fand es schließlich zwischen zwei Herzschlägen, „… behütet.“ Das war größer als „gut“ und ruhiger als „prima“.

Am dritten Morgen fiel Licht wie flüssiges Gold durch die bunten Fensterscheiben. Banoo wachte auf, atmete tief ein – keine schwere Stirn, kein triefender Wasserhahn-Nase-Gefühl. Nur ein Kribbeln in den Zehenspitzen (die man nur sieht, wenn man ganz genau hinsieht). „Status?“ fragte Pfefferkorn dienstlich und hielt das Thermometer bereit. „Status: bootastisch“, flüsterte Banoo und lächelte diesmal ganz ohne Kreide.

„Freigabe für eine Langsamrunde durch das Zimmer“, entschied Anton und hob einen Zeigefinger. Banoo schwebte, so langsam wie eine Feder, eine kleine Acht. Ganosch streckte genüsslich die Pfoten. Isi klappte das Rezeptbuch zu. Karl schloss sein Lachmedizin-Band und polierte die Lesebrille.

„Meine Damen, meine Herren und meine Krümel“, sagte Pfefferkorn und verbeugte sich so tief, dass das Thermometer kurz gegen den Boden tippte, „hiermit erkläre ich: Temperatur stabil, Genesung gelungen. Weiterhin: Viel trinken, viel lachen.“

Sie gingen gemeinsam in den Hof. Die Sonne legte warme Tupfer auf die Steine, und irgendwo im Gras zirpte ein Grashüpfer, als wolle er ein Genesungslied üben. Vom Tal her klang der Markt von Bärental herüber: Stimmen, ein Esel, der „I-aa“ sagte, und das Klacken von hölzernen Wagenrädern. Alles wie früher – nur fühlte sich die Welt heute ein kleines bisschen näher an.

Banoo sah seine Freunde an: Anton mit der Deckenhöhlen-Kunst, Isi mit dem Mut-Gewürz, Ganosch mit dem Ofen-Schnurren, Pfefferkorn mit dem tapferen Thermometer, Karl mit dem biblioschweren Lachorchester. Er spürte etwas, das sich anfühlte wie eine unsichtbare Decke, die nicht wärmt, weil sie dick ist, sondern weil sie aus Freundschaft gewebt wurde.

„Freunde sind das Wichtigste im Leben“, dachte er. Dann sagte er es laut, damit es die Berge, die Raben, der Fluss und sogar die Krümel hören konnten: „Heute wird ein bootastischer Tag!“